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KI schreiben lassen? 3 unterschätzte Nebenwirkungen – und was sie Dich kosten

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Spoiler: Ich nutze KI. Täglich. Um meine Arbeit, das Schreiben, leichter zu machen.

Aber ich schreibe selbst.

Dieser Artikel ist für alle, die selbst schreiben – und denken.

Für alle, die das dumpfe Gefühl haben, dass KI uns nicht nur effizienter macht, sondern auch … ja was genau eigentlich?

Drei unterschätzte Nebenwirkungen habe ich identifiziert. Ich zeige dir, welchen Preis wir wirklich zahlen, wenn wir KI schreiben lassen.

1. KI-Texte zu überarbeiten kostet Dich mehr Zeit

Ich weiß, die Versuchung ist groß. Prompt, Klick, hunderte Wörter bereit zur Veröffentlichung.

Aber diesen Wörtern müssen wir misstrauen. Und viel Arbeit investieren, um sie zu überarbeiten.

KI-generierte Texte zu überarbeiten ist oft aufwendiger, als sie zu schreiben.

In der Masse an KI-generierten Wörtern müssen wir aufspüren:

  • Falsche Informationen, die sich als Fakten tarnen.
  • Wörter und Formulierungen, die wir selbst nie benutzen.
  • Buzzwords, die toll klingen, aber nichts sagen.
  • Besonderheiten, die unsere Texte prägen (bei mir zum Beispiel das großgeschriebene Du und das Gendersternchen).

Vieles versteckt sich im toten Winkel. Um es zu entdecken, müssen wir alle Lektorat-Spezial-Skills aktivieren: zwei analytische Adleraugen, Kontakt zu unserer Schreibstimme, Gespür für gute Texte.

Nicht zu vergessen: Wir verlieren Zeit beim Umformulieren, verheddern uns in Aussagen.

Das Ergebnis?

Oft ein Frankenstein-Text. Ein aus fremden Teilen zusammengesetztes Wesen, das Deine Schreibstimme nachahmt.

Dann doch lieber selbst schreiben. Und das geht schneller, als Du glaubst.

2. KI denkt für Dich – Du verlernst es

Irgendwie ironisch: Für einen privaten Text habe ich KI genutzt, um die Textbausteine und Informationen zu strukturieren und mir daraus einen ersten Entwurf generieren zu lassen.

Nun sitze ich an diesem Abschnitt – und mein Gehirn streikt.

  • Wieder und wieder muss ich meine Neuronen anstupsen. „Hallo, bitte wieder selbst arbeiten!“
  • Wieder und wieder muss ich das Fenster meiner KI schließen. „Nein, das mach ich jetzt selbst!“

Das Phänomen ist wissenschaftlich erforscht, zum Beispiel in dieser Studie von Nataliya Kosmyna et al. (2025): „Your Brain on ChatGPT: Accumulation of Cognitive Debt when Using an AI Assistant for Essay Writing Task“.

Die Nutzung von KI beim Schreiben:

1. Versetzt das Gehirn messbar in einen Energiesparmodus. Die Forschenden maßen bei den KI-Nutzer*innen eine um bis zu 55 Prozent geringere neuronale Vernetzung im Vergleich zu denen, die ohne Hilfe schrieben. Die neuronalen Netzwerke, die für Kreativität, Gedächtnisabruf und Problemlösung zuständig sind, werden also signifikant weniger aktiviert (S. 136).

2. Bremst die Entwicklung neuronaler Netzwerke. Das Gehirn gelangt nach vorheriger KI-Nutzung nicht zur alten Leistungsfähigkeit, sondern verharrt in einem leistungsschwächeren Zwischenzustand (S. 108).

3. Verdrängt eigene Ideen. Stattdessen übernehmen wir Formulierungen der KI, die die Texte auch inhaltlich und strukturell stark beeinflusst. Die Folge: Wortschatz und Gedächtnisleistung verkümmern (S. 137).

4. Führt zu homogenen Texten. Die von KI beeinflussten Texte waren in Stil und Inhalt auffallend ähnlich. Die menschlichen Lehrkräfte, die die Texte im Rahmen der Studie bewerteten, bezeichneten sie als „seelenlos“ (S. 62).

Nina, eine Leserin meines Newsletters, beschreibt sie so:

KI-Texte sind wie Katalogküchen, in denen keiner lebt. Auf den ersten Blick hochglanz und dann nichtssagend. Kein Gefühl, kein Witz, keine Spannung, eben nicht echt.

KI wirkt wie eine Echokammer, die uns im kreativen Mittelmaß gefangen hält.

5. Verhindert das Lernen. 83,3 Prozent der Teilnehmenden konnten keinen Satz aus ihrem eigenen, wenige Minuten zuvor geschriebenen Essay zitieren (S. 31). Was wir uns nicht selbst erarbeiten, das behalten wir nicht.

Was ich hier als „Du verlernst zu denken“ bezeichnet habe, nennen die Wissenschaftler*innen „Cognitive Debt“ (kognitive Schuld). Diese Schulden machen wir durch einen Prozess, „Cognitive Offloading“ (kognitive Auslagerung) genannt:

Wir geben die Denkarbeit an KI ab, was laut aktueller Forschung (Michael Gerlich, 2025) signifikant mit geringeren Fähigkeiten zum kritischen Denken zusammenhängt. Kurzfristig fühlen wir uns erleichtert, aber langfristig verschulden wir uns bei uns selbst – denn unsere eigene geistige Leistungsfähigkeit sinkt.

Die Konsequenzen betreffen nicht nur uns individuell, sondern unsere gesamte Gesellschaft. Forschende bezeichnen das Problem als „soziale Zwickmühle“ der Kreativität (Anil R. Doshi, Oliver P. Hauser, 2024).

Das Paradoxe: Zwar kann KI weniger kreative Autor*innen um mehr als 10 Prozent kreativer machen. Aber die kollektive Vielfalt und Originalität aller Texte sinkt – weil alle auf dieselben optimierten Vorschläge zurückgreifen. Langfristig sinkt die Vielfalt unserer Ideen.

Was Du tun kannst:

Zuerst denken. Radikaler Vorschlag: mit Stift und Papier.

Notiere in Stichpunkten:

  • Welche Frage möchte ich mit meinem Text beantworten?
  • Welche Meinung habe ich dazu?

Schreib’s auf. (Ja, gerne auch am Bildschirm.)

Erst dann bitte KI, Dich beim Überarbeiten zu unterstützen. Diskutiere mit ihr. Lass Dir eine kritische Einschätzung und Gegenargumente liefern. Übernimm niemals ungeprüft ihre Behauptungen.

Das ist anstrengender, ich weiß. Aber es geht nicht nur um Deinen Text.

Es geht um Deine Haltung, Deine Fähigkeit zu kritischem Denken und Deinen Wissensvorsprung in einer Welt, in der immer weniger Menschen selbst schreiben.

Deine Texte verlieren an Persönlichkeit, Unabhängigkeit und Tiefe, wenn Du das Denken auslagerst.

Und wie willst Du so eine KI sinnvoll steuern?

3. Du verlierst den Kontakt zu Deinen Leser*innen

Stell Dir Folgendes vor:

Du möchtest Susanne persönlich von Deiner Dienstleistung überzeugen. Ihr trefft Euch ganz oldschool im echten Leben. Susanne trägt eine schicke Bluse und Jeans, dazu Sneaker. Du trägst Gesichtsmaske und Tarnumhang.

Ist es wahrscheinlich, dass Dich Susanne beauftragt? Eher gewinnst Du als Zorro ein Duell.

Wenn Du KI Deine Texte schreiben lässt, verkleidest Du Dich auch.

Dieses Gefühl der Entfremdung ist sogar messbar. Teilnehmende oben genannten MIT-Studie, die selbst schrieben, fühlten sich fast einstimmig als Urheber*innen ihrer Texte.

Anders diejenigen, die KI schreiben ließen:

  • 17 Prozent fühlten sich komplett vom eigenen Text entfremdet. Sie empfanden gar kein Gefühl der „Urheberschaft“ (Ownership).
  • Weitere 33 Prozent beanspruchten nur eine teilweise Urheberschaft.
  • Insgesamt hatte also die Hälfte der KI-Nutzer*innen ein gebrochenes Verhältnis zu ihrem eigenen Text (S. 32).

Wenn Du selbst keine Verbindung zum Text spürst – wie soll er dann Deine Leser*innen erreichen?

Für eine Verbindung braucht es zwei, auch Dich. Du bist es, der oder die Deinem Text Persönlichkeit, Geist und Witz verleiht, zum Beispiel durch:

  • persönliche Geschichten und Erfahrungen,
  • fachliche Einschätzungen und Nischenwissen,
  • emotionale und empathische Inhalte.

Fehlt die menschliche Ebene, verspielst Du das Wertvollste, das Du im Marketing hast: das Vertrauen Deiner Zielperson. Weil sie Dich nicht spürt. Oder, auch schlimm: Weil sie Fehler entdeckt und daraus schließt, dass Du nicht weißt, wovon Du schreibst.

KI kann uns als Werkzeug unterstützen, die Verbindung zu unseren Leser*innen zu pflegen. Aber sie kann uns nicht ersetzen.

Was es Dich kostet, KI schreiben zu lassen?

Kund*innen, die sich explizit für Dich entscheiden.

Wie bleibe ich als Person sichtbar – trotz KI?

Auch beim Schreiben gibt sich KI als verführerische Abkürzung aus. Aber sie verlangt einen hohen Preis:

Wir opfern unser kritisches Denken, die Seele unserer Texte und die Verbindung zu den Menschen, die wir erreichen wollen.

Die Frage ist nicht, ob wir KI nutzen. Sondern wie.

Wir müssen weg von: Kann KI das auch? → Hin zu: Wie setze ich sie als Werkzeug klug ein?

Denn KI ist nicht die Autorin, sondern unsere Assistentin. Die Autor*innen sind wir.

Wir sind es, die denken, fühlen und Erfahrungen machen. Darüber dürfen wir in unseren Worten schreiben. Damit wir die Menschen erreichen, die wirklich zu uns passen.

Nun zu Dir: Wo im Schreibprozess setzt Du KI ein, wo nicht? Verrate es uns in den Kommentaren!

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Kommentare

8 Kommentare

  1. Eigentlich ja krass: dass wir uns an KI-generierte Texte nicht erinnern können. Dieses Phänomen geht über Texte weit hinaus: KI generiert ja auch Konzepte. Und auch an die können wir uns nicht erinnern. Ich arbeite täglich mit KI und dem von dir vorgeschlagenen Modus stimme ich voll zu: Gedanken & Ideen für einen Text oder ein Konzept kommen immer von mir, die KI nutze ich zum Überarbeiten und, ganz wichtig, als Diskussions- und Sparringspartnerin. Grade für Selbständige kann so ein Gegenüber sehr wertvoll sein. Ich persönlich schätze Claude dabei mehr als ChatGPT…

    Antworten
    • Mir geht es wie Angela: Der Austausch mit Claude kann durchaus inspirierend sein. Er lohnt sich vor allem dann, wenn ich eigene Gedanken einbringe, zum Beispiel um eine wirkungsvolle Botschaft für meinen Text zu entwickeln. Die KI hilft, das eigene Wissen im Kopf zu mobilisieren – insofern verdrängt sie nicht eigene Ideen, sondern bringt mich auf neue.

      Antworten
      • Da gehe ich mit, lieber Christian. Solange die eigenen Ideen im Vordergrund stehen und KI als Sparringspartnerin arbeitet, bereichert ihr Einsatz.
        Liebe Grüße
        Anke

    • Liebe Angela,
      stimmt! Ich war so fokussiert aufs Schreiben, aber Du hast total Recht, auch an Konzepte können wir uns wahrscheinlich kaum erinnern, wenn wir sie generieren lassen. Es betrifft sicherlich auch Strategien etc.
      Am liebsten arbeite ich übrigens mit Gemini. Ich glaube, diese KI ist die größte Schleimerin von allen, aber manchmal möchte ich lesen, dass meine finale Version nicht nur gut, sondern „brilliant“ ist 😀
      Liebe Grüße
      Anke

      Antworten
  2. Liebe Anke, danke für den wertvollen Beitrag, in dem Du Deine KI-Erfahrung teilst und mit neuen Studien belegst. Sie entspricht ziemlich der meinigen. Ich schreibe zwar nicht für einen Blog oder Newsletter, auch nicht um Kunden zu generieren oder bei der Stange zu halten. Sondern ich schreibe (mal wieder ;-)) an meinem Buchprojekt, der Homöopathen-Biographie. Da meine engsten Austauschpartner inzwischen leider verstorben sind, kann ich niemanden kurzfristig fragen: was meinst Du zu diesem Entwurf? wie würdest Du das gesamte Kapitel strukturieren? Oder Wie wichtig ist diese und jene Detailinformation für das gesamte Buch? – So frage ich KI. Meist erhalte ich hilfreiches Feedback. – Wenn ich aber um sprachliche Überarbeitung meiner schon formulierten Texte bitte, muss ich extrem auf der Hut sein und im Promt alles festlegen: Zitate beibehalten, Inhalte unverändert lassen und auch nicht durch Straffung verändern, keine eigenen Hinzufügungen … Danach: die verräterischen Gedankenstriche entfernen, Fußnoten wieder einfügen, mir fremde Formulierungen entfernen und falsche Aussagen korrigieren. Ich lege tatsächlich abschnittsweise den KI-Text neben meine Vorlage und prüfe das. – Hinzu kommt, dass die KI „nicht jeden Tag gleich gut motiviert scheint“. Manchmal kommt wirklich Schrott raus (warum auch immer). – KI verbessert bei meinen Texten oft den Lesefluss und findet schneller Synonyme. … Aber es bleibt ein Experiment …

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    • Vielen Dank für Deinen interessanten Beitrag, liebe Ilka. Ich bewundere Dein Durchhaltevermögen bei dieser Biografie.
      Beim Überarbeiten lasse ich KI nie den gesamten Text formulieren. Ich gebe ihr meinen Text und frage gezielt, zum Beispiel nach Struktur, Verständlichkeit, schiefen Metaphern oder Ähnlichem. Dann arbeite ich in meinem Dokument die Vorschläge ein, die ich gut finde. Vielleicht dauert das weniger lang als mit Deiner Methode? Wäre, je nach Kapitel, vielleicht einen Versuch wert.
      Viele liebe Grüße
      Anke
      P.S.: Fun Fact: Gedankenstriche habe ich schon immer geliebt. Sogar so sehr, dass sich der Lektor meines Buchs „Pocket Spanien“ damals wünschte, dass ich sie in meinem Manuskript deutlich reduziere. Und da gab’s für Normalos wie uns noch keine KI 😀

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  3. Moin Anke, sehr interessant und ich kann es unterstreichen, dass immer ein mulmiges Gefühl bleibt, wenn ich meine Texte mit der KI erarbeite. Aber jetzt weiß ich, dass ich schon auf dem richtigen Weg bin. z. B. deine Empfehlung die Texte prüfen zu lassen, mache ich schon sehr lange. Ich gebe der KI meine ausgearbeiteten Persona’s als PDF und lass sie aus deren Position auf die erarbeiteten Text schauen und dabei kommen immer Verbesserungen heraus. Habe am Anfang alte Texte auf meine Sprachstimme prüfen lassen und mir dann dazu einen Prompt generiert. Auch hatte ich eine ganze Zeit lang ein Projekt angelegt in dem ich ihr von mir erzählt habe, sie mir Fragen stellen durfte, sodass sie meine Persönlichkeit kennen lern. Ob es mit der KI mehr Zeit braucht, als wenn man erstmal selber schreibt, kann ich nicht sagen. Für mich hat die KI die Welt des Schreibens erst möglich gemacht. Meine Rechtschreibschwäche hat mir nicht das Vertrauen gegeben. Vielleicht wäre es etwas anderes, wenn ich einen deiner Kurse belegt hätte und wer weiß vielleicht hätte ich dann auf die KI verzichtet. Hin oder Her beide Wege brauchen Zeit um ein gutes Ergebnis zu erzielen und wie bei einem Instrument permanentes üben. „Ein Meister ist noch nie vom Himmel gefallen.“ Lieben Gruß Stefan

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    • Lieber Stefan,
      vielen Dank für den ausführlichen Einblick in Deinen Prozess. Und ich freu mich total, dass KI Dir das Schreiben ermöglicht hat, so toll! Allein aufgrund solcher Erfahrungen würde ich KI nie grundsätzlich verteufeln. Ich arbeite übrigens ähnlich wie Du: Ich habe ein Brand Voice-Dokument und ein Positionierungsdokument in meinem KI-Meta-Tool hinterlegt. Auf dieser Basis lasse ich mir von KI Feedback zu meinen Texten geben. Das Schreiben selbst gebe ich aber nicht ab.
      Ich wünsche Dir von Herzen, dass Du immer mehr Vertrauen in Deine Schreibstimme gewinnst.
      Liebe Grüße
      Anke

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