Schreib Dich in den Flow – trotz Lockdown: 3 Schreibtipps aus der Praxis
Der Lockdown verändert uns. Vieles müssen wir neu denken – auch das Schreiben. Plötzlich fehlen Themenquellen und Inspiration. Und unser Körper hat wenig Lust, sich wieder vor einen Bildschirm zu setzen.
In diesem Blogartikel zeige ich Dir, wie ich mich durch den Lockdown schreibe. Und gebe Dir drei Tipps, wie Du das auch machen kannst.
Schreibtipp #1: Den Blick für Themen schärfen
Als Kunstkritikerin war ich einmal in einem Atelierrundgang. Eine Künstlerin hatte über Monate hinweg ihre Wäsche nach Farben sortiert und anschließend fotografiert.
Ich erinnere mich, dass ich dachte: „OK, das kann man machen. Man kann es aber auch sein lassen.“ Ich wollte lieber Kunst sehen, die mich irritiert (dass ein Kunstwerk „schön“ ist oder „gefällt“, ist in der Kunstszene fast schon eine Beleidigung).
In gewisser Weise haben mich ihre Fotografien doch irritiert. Die Chuzpe, so etwas Banales als Kunst zu erklären, brannte sich in meine Erinnerung.
Heute, im Lockdown, denke ich anders darüber. Die Diskrepanz zwischen den dramatischen Entwicklungen und der Banalität meines Alltags verunsichert mich. Wie kann ich da über Schönheit, Wahres, hohe Werte schreiben?
Eine nützliche Antwort finden wir in dieser Szene. Sie gilt als Beginn des Existenzialismus:
Es war im Pariser Café Bec de Gaz, Anfang der 1930er Jahre. Simone de Beauvoir, Jean Paul Sartre und Raymond Aron hatten sich für ihre philosophische Diskussion Aprikosen-Cocktails bestellt. Genau die nutzte Aron, um seinen Kolleg*innen die Phänomenologie zu erklären. Die neue philosophische Richtung beschäftige sich nämlich nicht mit abstrakten Themen, sondern mit dem, was im Jetzt ist. Sinngemäß sagte Aron:
Du kannst über diese Cocktails sprechen, und schon sind sie Philosophie.
Ich muss keine Phänomenologin sein, um vom Alltäglichen zum Schreiben überzuleiten – wie von meinem morgendlichen Besuch des Korianders auf dem Balkon. Aber ich kann ja nicht ständig über meine Pflanzen schreiben.
Deshalb ist der Lockdown eine gute Möglichkeit, wahrnehmen zu üben.
Gute Schreibende beobachten genauer. Sie schätzen das Alltägliche. Sie sehen das Große im Kleinen. Gute Schreibende entdecken in kleinen Handlungen eine Geschichte. Sie filtern Erkenntnisse daraus und bereiten sie für ihre Leser*innen auf.
Wenn es Dir wie mir geht, ist der Lockdown eine gute Übung, noch aufmerksamer zu sein. Themen in den kleinen Dingen zu finden ist eine Kunst. Praktiziere sie.
Schreibtipp #2: Die Angst vor dem weißen Blatt besiegen
Die Freizeit im Lockdown fühlt sich an wie vor einem weißen Blatt zu sitzen. Was soll ich tun, was soll ich schreiben? Die leere Zeit, das weiße Blatt, hypnotisieren uns. Wir starren zurück. Zu viel Zeit, zu viel Weiß, zu hoch der Anspruch, beides zu füllen. (Mir ist bewusst, dass Eltern dieses Gefühl nicht teilen werden.)
Das weiße Blatt ist gleichmäßig, ohne Hoch, ohne Tief. Wir dürfen keine Fehler machen, die das Blatt beschmutzen könnten. Ebenso wenig wollen wir nicht die Zeit verschwenden, die der Lockdown uns beschert. Jetzt könnten wir endlich das eine Projekt umsetzen, das wir schon so lange verschieben! Auch die Zeit des Lockdowns muss schließlich optimiert werden.
Doch statt das Weiße anzustarren, sollten wir einfach mal machen. Das Leben ist nicht geradlinig, es wird nicht von A bis Z durchdekliniert. Das Leben ist chaotisch und bunt. Es ist dazu da, dass wir leben.
Genauso ist es mit dem weißen Blatt. Du kannst heute tausend neue Word-Dokumente öffnen und wieder löschen. Du kannst Seite um Seite vollschreiben und in unterschiedlichen Weisen vernichten.
Wir dürfen die Frage ignorieren: Was bringt das? Manchmal bringt es einfach nichts – außer Spaß. Und manchmal überraschende Ergebnisse.
Also: Was möchtest Du gerne tun? Was möchtest Du gern schreiben, worüber bloggen?
Schreibtipp #3: Den Schreibmuskel trainieren und Rekorde brechen
Unser Leben verlagert sich immer mehr ins Netz.
Aber unser Körper kann da nicht mit. Er beginnt, sich zu beschweren. Unsere Hände wollen nicht nur tippen und die Maus hin und her schieben. Unsere Wirbelsäule nicht immer weiter auf dem Stuhl zusammensinken. Unsere Hüfte will auch mal andere Formen annehmen, als die in der Sitzposition.
Und die Augen? Auch nach Feierabend starren wir auf Bildschirme: Serie gucken, Webinar besuchen, Video-Calls mit Familie und Freund*innen.
Nicht nur unserer Körper, auch unser Schreibmuskel will bewegt werden. Wenn wir ihn nicht trainieren, verkümmert er. Was tun?
1) Schreibe lieber öfter ein bisschen, als ein Mal sehr viel. So verhinderst Du Muskelkater.
2) Spare Bildschirmzeit. Meine Lösung fürs Schreiben: Ich schreibe öfter in Sprints. Zehn bis 20 Minuten schreiben, dann Pause. Interessanterweise bin ich so viel produktiver. Und kann mich eher motivieren, mich an den Text zu setzen.
Und jetzt bist Du dran: Wie geht es Dir im Lockdown? Hast Du etwas gelernt, was Du aufs Schreiben übertragen kannst?
Vielleicht ist es meinem Alter geschuldet, aber während das Jetzt etwas reizarm ist, so blühen die Blumen der Erinnerung und der Phantasie umso schöner. Gerade weil ich durch den Rückzug ins Innere (des Hauses, des Geistes) viel mehr Raum und Zeit für meine inneren Bilder habe. Meine Lieblings-Schreibprompts sind gerad: ich erinnere mich wie und was wäre wenn. Vielen Dank für die schöne Inspiration, Anke.
Oh Iris, was für ein schöner Hinweis. Ich bin sicher, dass er viele inspiriert (mich zum Beispiel) 🙂 Vielen lieben Dank!